Pflanzenphänologie

Das Wort “Phänologie” stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie “die Lehre der Erscheinungen”. Unter Pflanzenphänologie versteht man konkret den jahreszeitlichen Wechsel der Erscheinungsformen von Pflanzen. Die Phänologie untersucht also die Entwicklung der Pflanzen im Jahresablauf, indem sie entsprechende Eintrittszeiten notiert. Auffällige wichtige Erscheinungsformen sind dabei beispielsweise die Blattentfaltung, die Blüte, die Fruchtreife oder die Verfärbung und das Absterben der Blätter. Über die Beobachtung hinausgehend versucht die Phänologie die Gesetzmäßigkeiten der Wachstumsperiode zu ergründen. Sie erforscht damit auch die Zusammenhänge zwischen der biologischen Rhythmik und den Umwelteinflüssen, beispielsweise Witterung und Klima.

Abb. 1: Apfelblüte (Quelle: Prof. Annette Menzel)
Abb. 1: Apfelblüte (Quelle: Annette Menzel)

Die phänologischen Jahreszeiten

Die uns bekannten Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst undWinter lassen sich noch viel feiner aufteilen, in die sogenannten phänologischen Jahreszeiten. Jede phänologische Jahreszeit wird durch eine phänologische (Leit-)Phase eröffnet und endet mit dem Beginn der nächsten phänologischen Jahreszeit. In Deutschland gibt es 10 phänologische Jahreszeiten mit einer Leit- und einer Ersatzphase:

Tab. 1: Phänologische Jahreszeiten mit Leit- und Ersatzphase (Quelle: Deutscher Wetterdienst)
Phänologische Jahreszeit Leitphase Ersatzphase Mittlerer Beginn in
Deutschland (1991-2020)
Vorfrühling Hasel (Blüte) Schneeglöckchen(Blüte) 14.02.
Erstfrühling Forsythie (Blüte) Stachelbeere (Blattentfaltung) 27.03.
Vollfrühling Apfel (Blüte) Stiel-Eiche (Blattentfaltung)) 26.04.
Frühsommer Schwarzer Holunder (Blüte) Robinie (Blüte) 27.05.
Hochsommer Sommer-Linde (Blüte) Rote Johannisbeere (Früchte) 18.06.
Spätsommer Apfel, frühreifend (Früchte) Eberesche/Vogelbeere (Früchte) 02.08.
Frühherbst Schwarzer Holunder (Früchte) Kornelkirsche (Früchte) 24.08.
Vollherbst Stiel-Eiche (Früchte) Rosskastanie (Früchte) 19.09.
Spätherbst Stiel-Eiche (Blattverfärbung) Eberesche/Vogelbeere (Blattfall) 17.10.
Winter Stiel-Eiche (Blattfall) 1. Apfel, spätreifend (Blattfall)
2. Europ. Lärche (Nadelfall)
05.11.

Pflanzenphänologie und Klimawandel

Die Temperatur ist einer der wichtigsten Einflussfaktoren für den Entwicklungszyklus von Pflanzen. Sie entscheidet sowohl im Frühling als auch im Herbst über die Phänologie: Erhöht sich die Temperatur, so werden beispielsweise die Prozesse der Blattentfaltung, der Blüte und der Fruchtreife beschleunigt und treten früher ein. Auf der anderen Seite verschiebt eine Erwärmung im Sommer die Blattverfärbung und den Blattfall im Jahresverlauf eher nach hinten.

Abb. 2: Blattentfaltung bei der Rotbuche (F.Sylvatica) (Quelle: Elena Gutschin)
Abb. 2: Blattentfaltung bei der Rotbuche (F.Sylvatica) (Quelle: Elena Gutschin)

Durch den Klimawandel steigen die Temperaturen weltweit und auch in unseren Breiten an. Die Veränderung wirkt sich auch auf die Pflanzenphänologie aus: Durch höhere Temperaturen im Frühling beginnt die Blatt- und Blütenbildung bei vielen Pflanzen früher, wodurch der phänologische Frühling in Deutschland heute (1991-2020) teilweise um über zweiWochen früher beginnt als noch im Zeitraum 1961-1990. Im Gegensatz dazu bewirkt die regionale Erwärmung bei uns eine Verspätung des Herbstes, wenn auch mit einem deutlich schwächeren Trend als im Frühling. Dies liegt daran, dass im Herbst noch weitere Faktoren (wie z.B. die Tageslänge oder die Nährstoff- und Wasserverfügbarkeit) eine wichtige Rolle für die Pflanzenphänologie spielen.

Abb. 3: Fruchtreife bei der Roten Johannisbeere (Quelle: Prof. Annette Menzel)
Abb. 3: Fruchtreife bei der Roten Johannisbeere (Quelle: Prof. Annette Menzel)

Die Veränderung der Pflanzenphänologie durch den Klimawandel ist aber nicht nur für die Forschung interessant, sondern wirkt sich ganz konkret auch auf die Natur und somit auch auf uns Menschen aus. Durch die Verschiebung des natürlichen Rhythmus müssen sich Nahrungsnetze in der Tier- und Pflanzenwelt anpassen und die verlängerte Wachstumsperiode verändert natürliche Kreisläufe, wie z.B. den Kohlenstoffkreislauf. Eine längere Vegetationsperiode hat - in einer Art Rückkopplung auf das Klimasystem - zur Folge, dass länger Wasser verdunstet wird und die Landoberfläche stärker gekühlt wird. Und auch die Land- und Forstwirtschaft muss sich auf veränderte Bedingungen, wie z.B. ein erhöhtes Spätfrostrisiko, einstellen.
Eine gute Visualisierungsmöglichkeit für die Verschiebung pflanzenphänologischer Phasen bietet die phänologische Uhr. Sie zeigt für einen ausgewählten Zeitraum den mittleren zeitlichen Verlauf aller phänologischen Phasen für ein bestimmtes Gebiet und lässt Vergleiche mit anderen Zeiträumen zu. Die unten dargestellte phänologische Uhr für Deutschland bildet sehr gut die (Vor-)Verschiebung der Frühlings- und Sommerphasen in der jüngeren Vergangenheit ab:

Abb. 4: Phänologische Uhr (Quelle: An overview of the phenological observation network and the phenological database of
Germany's national meteorological service (Deutscher Wetterdienst)
F. Kaspar, K. Zimmermann, and C. Polte-Rudolf
Adv. Sci. Res., 11, 93–99, https://doi.org/10.5194/asr-11-93-2014, 2014 )
Abb. 4: Phänologische Uhr (Quelle: An overview of the phenological observation network and the phenological database of Germany's national meteorological service (Deutscher Wetterdienst) F. Kaspar, K. Zimmermann, and C. Polte-Rudolf Adv. Sci. Res., 11, 93–99, https://doi.org/10.5194/asr-11-93-2014, 2014 )

Welche Unsicherheiten gibt es?

Unsicherheiten innerhalb der Pflanzenphänologie entstehen vor allem bei der Erfassung der Daten, wobei diese über regelmäßige Beobachtungen in der Natur oder mit Hilfe vonWebcams, Drohnen oder Satellitenbildern gesammelt werden können. Während die Erfassung der Beobachtung vor allem vom Beobachter selbst und lokalen Bedingungen (Schattenlage, umgebende Bebauung, Windschutz, …) beeinflusst werden kann, ist bei der digitalen Erfassung vor allem die räumliche und zeitliche Auflösung der Daten und die Aufnahmequalität ein Unsicherheitsfaktor.

Abb. 5: Phänologische Beobachterin bei der Aufnahme (Quelle: Alissa Lüpke)
Abb. 5: Phänologische Beobachterin bei der Aufnahme (Quelle: Alissa Lüpke)

Auch bei der Beziehung zwischen Klima(-wandel) und Pflanzenphänologie gilt es, Unsicherheiten zu berücksichtigen. So reagieren verschiedene Pflanzen unterschiedlich stark auf Temperaturveränderungen und auch die einzelnen phänologischen Jahreszeiten weisen unterschiedliche Zusammenhänge mit der Temperatur auf. Besonders spannend ist die Fragestellung, ob aufgrund von wärmeren Wintern die Winterruhe der Pflanzen später durchbrochen wird und diese dann trotz einer Frühjahrserwärmung ihren Blattaustrieb oder die Blüte nicht oder nicht so stark verfrühen. Darüber hinaus beeinflussen auch andere Umweltvariablen (z.B. Niederschlag oderWetterextreme) die Pflanzenphänologie, wodurch Veränderungen nicht immer ausschließlich auf die erhöhte Temperatur zurückgeführt werden können. Auch eine Prognose in die Zukunft ist in dieser Hinsicht meist nicht trivial, da die Beziehung zwischen Temperatur und Phänologie nicht immer linear ist und andere Faktoren, wie z.B. die Tageslänge, bestimmte Rahmenbedingungen vorgeben.

Wie läuft die Forschung ab und wie kann ich mitmachen?

In der Pflanzenphänologie werden auf verschiedene Arten phänologische Daten gesammelt und aus unterschiedlicher Perspektive und je nach Fragestellung ausgewertet. So wird zum Beispiel analysiert, inwiefern der Klimawandel die Phänologie verschiedener Pflanzen verändert und was das für Auswirkungen für die Land- und Forstwirtschaft oder auf zeitlich abgestimmte Prozesse in Ökosystemen hat.

Um möglichst viele Daten auswerten zu können und möglichst robuste Ergebnisse zu präsentieren, braucht es natürlich so viele phänologische Beobachtungen wie möglich. An dieser Stelle kommst du und die BAYSICS-App in’s Spiel! Mit Hilfe deiner Beobachtungen in der Pflanzenphänologie verbesserst du die Datenlage und hilfst der Forschung, möglichst umfangreiche Auswertungen durchführen zu können. Ein wichtiger Bestandteil sind hier die Zeigerarten, welche in Deutschland den Beginn einer phänologischen Jahreszeit markieren und die du deshalb im BAYSICS-Portal erfassen kannst:

Tab. 2: Arten, welche in der BAYSICS-App aufgenommen werden können -Leitphasenname ist Fett, Ersatzphasenname ist kursiv.
Jahreszeit Art(en) Botanischer Name
Vorfrühling Hasel (Beginn der Blüte)
Schneeglöckchen (Beginn der Blüte)
Schwarz-Erle (Beginn der Blüte)
Kornelkirsche (Beginn der Blüte)
Huflattich (Beginn der Blüte)
Corylus avellana
Galanthus nivalis
Alnus glutinosa
Cornus mas
Tussilago farfara
Erstfrühling Forsythie (Beginn der Blüte)
Stachelbeere (Beginn der Blattentfaltung)
Eberesche (Beginn des Austriebs)
Hänge-Birke (Beginn des Austriebs)
Schlehe (Beginn der Blüte)
Löwenzahn (Beginn der Blüte)
Schwarz-Erle (Beginn der Blattentfaltung
Forsythie suspensa
Ribes uva-crispa
Sorbus aucuparia
Betula pendula
Prunus spinosa
Taraxacum sect. Ruderalia
Alnus glutinosa
Vollfrühling Kultur-Apfel (Beginn der Blüte)
Stiel-Eiche (Beginn der Blattentfaltung)
Rosskastanie (Beginn der Blüte)
Flieder (Beginn der Blüte)
Malus domestica
Quercus robur
Aesculus hippocastanum
Syringa vulgaris
Frühsommer Schwarzer Holunder (Beginn der Blüte)
Robinie (Beginn der Blüte)
Hunds-Rose (Beginn der Blüte)
Sambucus nigra
Robinia pseudoacacia
Rosa canina
Hochsommer Sommer-Linde (Beginn der Blüte)
Rote Johannisbeere (erste reife Früchte)
Beifuß (Beginn der Blüte)
Wilde Karde (Beginn der Blüte)
Vogel-Kirsche (erste reife Früchte)
Tilia cordata
Ribes rubrum
Artemisia vulgaris
Dipsacus fullonum
Prunus avium
Spätsommer Kultur-Apfel (erste reife Früchte)
Eberesche (erste reife Früchte)
Heidekraut (Beginn der Blüte)
Malus domestica
Sorbus aucuparia
Calluna vulgaris
Frühherbst Schwarzer Holunder (erste reife Früchte)
Kornelkirsche (erste reife Früchte)
Herbstzeitlose (Beginn der Blühte)
Sambucus nigra
Cornus mas
Colchicum autumnale
Vollherbst Stiel-Eiche (erste reife Früchte)
Rosskastanie (Kastanien fallen herunter)
Rotbuche (Blattverfärbung)
Quercus robur
Aesculus hippocastanum
Fagus sylvatica
Spätherbst Stiel-Eiche (Blattverfärbung)
Eberesche (Blattfall)
Quercus robur
Sorbus aucuparia
Winter Stiel-Eiche (Blattfall)
Lärche (Nadelfall)
Kultur-Apfel (Spätreifende)
Quercus robu
Larix decidua
Malus domestica

Wenn du selbst zum Forschenden in der Pflanzenphänologie werden willst, empfehlen wir dir unseren PhenoTracker:

  • Green warming stripes: Mit unseren Green warming stripes-Tool kannst du dir die grünen Klimastreifen ausgeben. Sie zeigen die Auswirkungen des Klimawandels auf die jahreszeitliche Entwicklung von Pflanzen.
  • PhenoInterPol: PhenoInterPol ist ein Tool, um die phänologische Interpolationskarte in Bayern zu visualisieren und als Bürgerwissenschaftler:in Basisanalysen durchzuführen. Du hast sogar die Möglichkeit deine eigene Beobachtung einzutragen und mit historischen Daten in Kontext zu setzen!
  • TECCS: TECCS ist ein einfach zu bedienendes Simulationswerkzeug zur Untersuchung möglicher Auswirkungen vonWinter- und/oder Frühlingserwärmung auf den Knospenaufbruch. Hier noch ergänzen:Wenn Du imWinter Zweigexperimente machen willst und den Knospenaufbruch unter verschiedenen Bedingungen zu Hause beobachtest, dann hilft Dir TECCS bei der Auswertung Deiner Daten..

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